unsere Wachtelhunde

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so war Riecke        

 

Meine, nein - unsere Wachtelhunde.

„Mac aus Meesiger“ - der „Dicke“.

„Ein guter Jäger macht einen guten Hund, aber ein guter Hund macht einen guten Jäger“ - bei mir war durch ihn die Reihenfolge umgekehrt.
„Ein Hund kommt mir nicht ins Haus - ich habe damit die Arbeit, denn du bist den ganzen Tag auf Praxis.“
Das sagte meine Frau, die sonst an keinem Hund vorbeikam, ohne ihn zu streicheln, mit unmißverständlichem Nachdruck.
Aber jagen ohne Hund? Das ist bestenfalls Schießen - und danach anderen, den Hundeführern, die Arbeit überlassen, falls man - noch dazu mit der Brennecke, diesem anfangs so unzuverlässigen Flintenlaufgeschoß - nicht sauber getroffen hatte.
Ich konnte bitten, betteln, die Kinder als Argument vorschieben, für die doch so ein Hund wichtig wäre, damit sie nicht andauernd zu Nachbars Hunden liefen, es half nichts. Meine Berlinerin blieb unerbittlich.
Da hatte ich nun die Jagderlaubnis bestanden, träumte von den beiden Wachtelhunden des Försters im Westpreußischen Heimatdorf und fand keine Gegenliebe.
Ein Jäger ohne Hund - bei uns damals in den meisten Fällen auch ohne eigene Waffe - welch ein Bild für Geilfuß, den zeichnenden Satiriker, war das.
Aber eines Tages rief ein Kollege vom Kummerower See, ein Jäger und Wachtelzüchter bei mir an.
Er habe einen fünf Monate alten Wachtelrüden, doch dulde seine Wachtelhündin, da sie erneut belegt sei, den nicht mehr; ob ich nicht?
Und ob ich wollte.
Meiner Frau sagte ich nichts, außer, daß wir nach Feierabend rasch mal zum Kollegen „auf Besuch“ wollten. Die Frauen mochten den jungen Witwer alle, was soll’s.
Wir saßen kaum im Wohnzimmer am Kamin, als die Tür aufsprang und ein brauner, ganz junger Wachtel hereingestürmt kam, uns kurz bewindete und dann mit einem Satz meiner Frau auf den Schoß sprang, sich einrollte und alsbald schnarchte. Er schnarchte leise - und hatte mit seinem vertrauenden Satz das Herz meiner Berlinerin erobert.
Als wir spät nach Hause kamen, durfte er in einer Kiste an meinem Bett schlafen, doch als ich am anderen Morgen aufwachte, da sah ich auf dem Kopfkissen nebenan einträchtig zwei braune Häupter beieinander ruhen.
Suchte ich später unsere Kinder, dann konnte ich sicher sein, sie bei Mac im Winterlager der geräumigen Hundehütte des Zwingers zu finden; Arm in Arm mit ihrem Freund.
Der berechtigte bald zu den schönsten Hoffnungen, war wasserwild, spurfreudig, zeigte einen festen unnachgiebigen Willen auf Spur und Fährte, und als er spurlaut war, da ging ich mit ihm im Mai mit sieben Monaten zur Anlagenprüfung.
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich mit den anderen Hunden, die nach ihm kamen, so gründlich, so ausdauernd, so planvoll geübt habe.
Wir gingen schon im Herbst zur Eignungsprüfung und bestanden gemeinsam und sicher, zumal er verfressen war und alsbald der Pfefferkuchenhund hieß, weil er zur Belohnung stets Pfefferkuchen erhielt. Dafür machte er alles.
Jetzt hatte ich meinen Wachtel - und die Familie ihren vierläufigen Freund.
Als ich im Jahr darauf eine 12er Doppelflinte als Leipziger Wurftaubenschießpreis bekam, da konnte es von nun an in dem wasserreichen Revier den Wildenten „zur Jacke“ gehen.
Mac kam nicht eher vom Teich oder aus dem Schilf, ehe nicht die letzte Ente aufgestöbert oder gebracht war.
Nun wollten wir züchten.
Das war - gar nicht verwunderlich - der Wunsch und Gedanke meiner Frau.
Also holten wir eines Tages aus dem südlichen Brandenburg eine kleine braune Hündin:
 
„Carla v. Bickenbach“.

Das war soviel braune Lebendigkeit, sie zeigte früh so unglaubliche Anlagen - was für eine Nase, welch ein Wille, eine beinahe Wasserwut, daß wir mit der erst fünf Monate Alten Hündin zur A-Prüfung nach Lübz fuhren.
„Was wollt ihr hier mit dem Welpen“,
kam die spöttische Frage des Prüfungsleiters, und es war unser Glück, daß die beiden „Kopfhunde“ der DDR-Wachtelei richteten. So durfte dieser „Welpe“ von mir geführt werden.
Als die Kleine dann als letzter Hund bei stürmischem Wind auf einem Lupinen-Sandacker, wo gerade die ersten Pflänzchen aufkeimten, rasch mit sicherem Laut auf der Spur des nicht gesehenen Hasen losstürmte, dabei einen anderen Hasen aufstieß, den nur markierte, nach gut 1000 m von der ersten Spurarbeit zurückkam und laut die andere Hasenspur annahm, da war bei allen die Abwehr gebrochen.
Doch ihr Gesellenstück lieferte das Kerlchen am Wasser.
Kaum einer der wesentlich älteren Hunde, die alle schon einen Sommer am und im Wasser zugebracht hatten, wollte das Wasser wirklich annehmen, schwimmen.
Von dem zunehmend starken Wind aufgepeitscht, brachen sich beachtliche Wellen am Ufer des weiten Teichs.
Ein Hund, der nächste, ein dritter wollten nichts ins Wasser, sie machten sich bestenfalls die Läufe naß und kamen trotz Aufforderung, trotz geworfener Erdklumpen oder Stöckchen raus, waren nicht zu bewegen, hinauszuschwimmen. Ein Fiasko bahnte sich an.
Gewiß waren es erschwerte Bedingungen für Junghunde - aber?
Dann war die Reihe an Carla.
Ich nahm ihr die Halsung ab, redete sie leise an - und sie schwamm los, schwamm gegen die Wellen, ließ sich von meiner Hand leiten, nahm den ganzen Teich und kam erst nach Aufforderung zurück. Die beiden Walddoktors aus Thüringen standen kopfschüttelnd aber bewundernd, wir hielten mit Mühe die Freudentränen zurück.
So kam es, daß man nach einiger Beratung fragte, ob ich bereit sei, meine Kleine nochmals mit jedem Verweigerer in das reichlich kalte, stark bewegte Wasser zu schicken. Warum nicht, natürlich; sie würde das schon machen.
Einer nach dem anderen folgte nach Anfeuerung durch den Führer der Hündin und schwamm, wenn auch nicht so frei, bis er angeleint werden durfte. So hatten auch die „Feiglinge“ wenigstens bestanden.
Was dann noch kam, war für die Carla Spielerei; das machte sie „mit links“.
Am Ende der Prüfung hatte sie alle überzeugt und als jüngster jemals auf „A“ gelaufener Deutscher Wachtelhund mit der höchsten erreichbaren Punktzahl bestanden.
Da war vergessen, daß ihre stöbernde Neugier während eines Waldspazierganges im zeitigen Frühjahr uns in höchste Bedrängnis gebracht, als sie einen starken Keiler hochgemacht hatte, ängstlich bei uns Schutz suchte, während Mac, solange gehorsam bei Fuß, den Urian annahm und von uns wegbrachte, dann aber schwerverletzt zurückkam, so daß ich ihn mit größter Mühe und nach einer Operation am Leben halten konnte.
Wieviel Freude, wieviel jagdliches Erleben hatte ich durch diese beiden typischen Braunen, und es mag wohl auch an diesen beiden großartigen Hunden gelegen haben, daß meine Frau sich entschloß, die Jagdeignungsprüfung abzulegen und von nun an mit ihrer Hündin zur Jagd zu gehen.
Doch mit der Zucht wurde es leider nichts.
Mac hatte die mehr und mehr in der Wachtelei - aber auch bei anderen Rassen mit enger Zuchtführung - gefürchtete „HD“, eine erbliche Hüftgelenkserkrankung, und Carla war „Warnhund HD“, hatte also in den Geschwistern diese Erkrankung.
So kam sie, schweren Herzens, in die fürsorgliche und verständnisvolle Hand eines älteren jagenden Kollegen, bei dem sie den „Hundehimmel auf Erden“ fand.
Meinen Mac mußte ich aber mit neun Jahren töten, weil er, während der Sanierung der Rinderherden von Brucellose, wie alle Hunde untersucht, positiv auf die seuchenhafte Erkrankung reagierte.
Als ich, nach langem Zögern, mich endlich entschloß, hielt er mir - wie gewohnt von den Behandlungen - den Vorderlauf zur Injektion hin. Wie er dann hinüberschlief, schmiß ich die Spritze gegen die Hauswand und rannte weit in den Garten, um mit meinem Elend allein zu sein.
Wir haben ihm im Pirschbezirk nahe einer Kanzel, wo er mir einmal des Nachts bei einer Nachsuche das Leben gerettet hatte, sein Grab bereitet, ihm alle Medaillen mitgegeben und einen großen Feldstein mit seinem Namen darauf errichtet.
 
So suchten wir nach einer neuen Hündin, um endlich züchten zu können und entschieden uns für
„Trude von der Trift
“, eine braune gebrandelte Hündin von der Rhön. Das war damals in der DDR Grenzsperrgebiet. Also mußte sie per Bahn zu uns geschickt werden.
An einem Sonntag sollte der Welpe in Neubrandenburg ankommen.
Vom Nachmittag an riefen unsere Kinder am Güterbahnhof an, so daß der Eisenbahner schon bald nur noch - ohne vorher zu fragen - belustigt sagte:“ Er ist noch nicht da!“
Doch gegen den frühen Abend hörten wir dann bei einem weiteren Anruf schon aus dem Hörer das durchdringende Rufen einer kleinen Hundestimme.
Die ganze Familie kam mit, um den Welpen in seiner Kiste in Empfang zu nehmen.
Nach der dringend notwendigen gründlichen Reinigung in der Badewanne fraß das kleine Kerlchen sich erst einmal satt und schlief dann bis zum nächsten Morgen.
Doch nach seinem Frühstück nahm die Kleine den großen Garten unter die Läufe und in Besitz.
Das war nun ihr Revier. Jeder, der kam, wurde von ihr „in Empfang genommen“, zur Tür begleitet und später wachsam bis zur Gartenpforte geleitet.
Anfassen ließ sie sich von Fremden nicht.
Trude war eine so aufmerksame, wachsame und außerdem schnelle Hündin, und sie wurde bald ein ausgezeichneter Hund mit guten jagdlichen Anlagen, ohne zuvor auf Prüfungen besonders aufzufallen.
Sie war eine „Arbeiterin vor dem Herrn“ und für ihren Leithund.
Sie machte bald ausgezeichnete Nachsuchen und steht heute in meinem Nachsuchenbuch hinter Mac, dem „Dicken“, an zweiter Stelle.
Auch sie rettete mir einmal während einer leichtfertig durchgeführten Nachsuche das Leben, als sie sich, ohne zu zaudern, dem noch wehrhaften Schwein entgegenwarf.
Bei der Entenjagd konnte man sich auf sie verlassen, denn sie brachte noch den letzten schnickenfetten Herbsterpel aus dichtestem Schilf.
Bei ihr habe ich mehr als einmal erlebt, daß sie nach den Enten tauchte.
 
Bald holten wir uns aus Magdeburg von einer Wunschpaarung den dunkelbraunen Welpen

„Rams v. d. Ohre“.

Lockig, kräftig im Gebäude, war er der „schönste Hund“ von allen. Er wuchs durch Trude, die ihm durch „dick und dünn“ alles beibrachte, zum brauchbaren Jagdhund heran, zeigte sich alsbald recht prüfungssicher, doch begann er mit zunehmender Männlichkeit, mir seinen Willen entgegenzusetzen.
Sein Selbstbewußtsein und die „Lehre“ durch Trude ließen ihn bald zu einem Ströper werden, der oft erst sehr spät von einer Spurarbeit zurückkam oder von irgendeinem Gehöft in der Nähe, bei dem er sich aus Hunger eingefunden hatte, abgeholt werden mußte.
So führte ihn bald meine Frau zur Prüfung, denn ihr ordnete er sich bereitwillig unter, ging folgsam, ruhig, sehr aufmerksam an ihrer Hand. Kein Wunder, war sie doch stets für ihn da, während er mich nur abends, nach der Praxis sah. Es scheint ohnehin die Regel zu sein, daß ein Mann besser eine Hündin führt, hingegen die Jägerin den Rüden.
Sein Meisterstück leistete er sich, als er sie, die bei der Schweißprüfung gestolpert und hingefallen war, am langen Riemen die letzten Meter zum Stück zog.
Sein Blut vererbte sich später in unserem Zwinger „Bringtreu“.
Denn wir gaben ihn, als die beiden folgenden Hündinnen zu uns kamen, in gute Jägerhände nahe Fürstenwalde, wo er, im Gegensatz zu unseren Jagdmöglichkeiten, sogar an Rot- und Damwild jagen konnte.
Als Trude an den Folgen eines Bisses durch einen Dorfhund starb, eine sich rasch ausbreitende Lähmung war auch in der Tierklinik nicht mehr zu beseitigen, waren wir erneut ohne Hündin und wollten den Gedanken an eine Zucht schon aufgeben.
Doch meine Frau holte sich aus Berlin ihre braune, sehr nervige, aber wieselflinke Hündin

 

„Abba vom Watz“.
„Assi die Wilde“, wie sie alsbald hieß, eine mehr braun angestrichene Berlinerin vom „Keiler“, dem Züchter und Berliner Jagdreferenten Werner Keil, war bald der ganze Stolz meiner Jägerin und unsere erste Zuchthündin im Zwinger „Bringtreu“. Meine Frau hatte sie gut in der Hand; besonders im Wasser und beim Stöbern zeigte sie brave Leistungen und bestand leichthin die erforderlichen Prüfungen. Allerdings ging sie, zum Stöbern aufgefordert, gern „über Tisch und Bänke“. Es war wohl unter der braunen Jacke doch allerhand „Schimmelblut“ in ihr.
Mit den Buchstaben „C“ und „F“ brachte sie später, nach der Zuchttauglichkeitsprüfung, gute Würfe.
 
Doch ich wollte ja auch meine Zuchthündin haben, und so fuhren wir bald nach Thüringen, wo in Stolberg, nahe Uftrungen, auf einem Forstgehöft mit anerkanntem Zwinger mein Welpe abgeholt werden konnte.

„Xara v. d. Thyra“ war, wie sich schnell zeigen sollte, ein echtes braunes Urgestein, die wesensfesteste Hündin, die ich jemals führen durfte.
Sie war eine der, seit den Ausfällen durch die HD-Untersuchungen immer weniger zu beobachtenden, homozygoten alten Braunen.
Diese HD-Röntgenuntersuchung, so wichtig sie für die Selektion dieser Erkrankung für eine gute Zucht ist, traf bei dem hohen Inzuchtkoeffizienten unserer Rasse vor allen Dingen die alten derben, mehr ruhigen und im Prüfungsgeschehen nicht so auffälligen Braunen in allen ihren Linien.
Und sie hat so in ziemlich kurzer Zeit diese zumeist kurzjagenden, für unsere neuen Jagdverhältnisse mit den kleineren Revieren so wichtigen Linien fast ausgemerzt.
Der Vorschlag einiger Tierärzte in der Hauptzuchtleitung DW, zukünftig in zwei Ebenen zu züchten, fand bei den beiden Humanmedizinern unserer Obersten Wachtelleitung kein Verständnis, sondern Abwehr.
Wir dachten uns eine Zuchtebene I für die Weiterzucht mit HD-freien Eltern und eine Zuchtebene II mit Eltern, die an leichter oder mittlerer HD erkrankt, aber hervorragende Anlagen zeigten.
Mit denen sollte die sogenannte „Verbrauchszucht“, also Paarungen, mit deren Welpen nicht weitergezüchtet, die aber für den Jagdgebrauch dringend benötigt wurden, erfolgen.
Wir hätten überaus wertvolles Material für die praktische Jagdausübung erhalten können.
Unsere aus der Tierzucht stammenden Erfahrungen sagten der Leitung nichts.
Hier hätte „Eugenik“ ohne „Euthanasie“ stattfinden können, obwohl an diese Begriffe von uns niemand dachte.
Es war mein Glück, nicht auf den Rat der Züchterin in Stolberg am Harz gehört und doch die Schlafmütze genommen zu haben, die abseits unter dem Fliederbusch weiterschlief, während ihre Geschwister um uns und auf dem Forsthof laut herumtollten.
Damals war es, als ich sie im Arm hielt und sie weiterschlief, Liebe auf den ersten Blick, und so blieb es unser Leben lang.
Daß ich damit zugleich das Blut der Elchwinkel-Linie aus der Lüneburger Heide kaufte, wußte ich nicht. Es sollte später von erheblicher Bedeutung sein.
Als wir von der langen Fahrt nach Hause kamen - Frau und Tochter hatten unterwegs Flöhe über Flöhe von dem dicken Welpen abgesammelt - da ließ ich die kleine Hündin im Garten laufen.
Sie sollte ihre neue Heimat kennenlernen. Aber sie nahm die Nase hoch, stürmte zu einer hochgestellten Karre, auf der ich für Übungen mit „Herrn Rams“, wie er nun hieß, einen Stockentenerpel abgelegt hatte, sprang hoch, griff ihn sich und trug den für sie fast zu großen Erpel stolz im Fang durch den Garten.
Natürlich brachte sie ihn noch nicht, doch sie hatte ihn wie selbstverständlich apportiert.
Da rief ich kurzentschlossen meine Jägerin und unsere Tochter, und sie legten im nahen Feld bei ziemlichem Seitenwind eine Schleppe.
Und da geschah es zum zweiten Mal.
Das Kerlchen markierte kurz den zuvor gerupften „Anschuß“, lief dann ohne zu zögern und zu stocken weit unter Wind zum abgelegten Erpel, nahm ihn auf und brachte den dicken Vogel zu uns.
Natürlich gab sie noch nicht aus, aber diese kleine braune Wachteline fand sofort zum Stück und brachte, als müßte das so sein.
Hoppla, dachte ich damals und sollte Recht behalten, da muß beim Apport aber sehr gründlich gearbeitet werden, damit es immer, und immer felsenfest sitzt.
Denn wie hatte uns Rudolf Friess gelehrt: Der Wachtel braucht nur zwei Dinge beigebracht zu bekommen, down und Apport, „Aber das mit Nachdruck, sonst wird er liederlich und tanzt uns auf der Nase rum“, setzte ich bald hinzu.
Wieviel Erfolg hatte meine Frau mit ihrer Assi“, wieviel Freude hatten wir mit beiden Hündinnen auf den Prüfungen, obwohl die „Xara“, wir hatten sie jedoch bald nur noch „Kater“, später „Kater-Luise“ oder plattdeutsch „Lieschen“ genannt, schon vor der „A“-Prüfung sich den Vorderlauf gebrochen hatte und in der Chirurgischen Tierklinik der Tierärztlichen Hochschule von Prof. Olaf Dietz operiert werden mußte.
Sie konnte ihren rechten Vorderlauf nie mehr voll belasten, doch wie sie, gleichsam auf drei Läufen, die Hasenspur mit ihrem unglaublichen Willen über 1000 m meisterte, so daß - ausnahmsweise und in bewußter Anerkennung - die 4 h, also die seltene „9“ gegeben wurde, wie sie später den Hasen auf der Schleppe brachte, der im Gegensatz zu ihr kein „Dreiläufer“ war, oder im Wasser alle Hindernisse bei der Entenjagd überwand, das ist allen in der Erinnerung geblieben.
Von ihr fielen alsbald die Würfe „B“, „D“ und „F“.
Als sie einer unheilbaren, sie immer mehr schwächenden Krankheit unterlag, gab ich ihr das verdiente schmerzlose Ende.
Ihr Grab liegt unter hohen Pappeln im Revier nahe einer Kanzel, zu der sie mich zuletzt noch begleitet hatte.
Wie alle unsere Deutschen Wachtelhunde, die wir führen durften und in die Erde legten, nahm sie ihre Medaillen mit.
Sie war die eigentliche Stammutter unseres Zwingers „Bringtreu“, doch beide Hündinnen haben, auch mit ihren Nachkommen, auch den in die Bundesrepublik ausgeführten, dem Zwingernamen alle Ehre gemacht.
Nach ihrem Tode, „Assi“ war vor unserem Gehöft überfahren worden, ließen wir uns von der Zuchtleitung überreden, einen Welpen aus einer vermeintlich besonderen Zuchtpaarung in Sachsen zu übernehmen. Nur „bewährte“ Züchter und erfahrene Führer wurden dazu ausgesucht.
Die Eltern des Welpen glänzten auf Prüfungen mit höchsten Noten, so daß man glauben konnte, zu Recht sieben Welpen statt der sonst zugelassenen sechs aufzuziehen.
So kam zu uns nach Mecklenburg die Jette.                   .
Sie war, wie sich alsbald herausstellen sollte, ein Irrtum der Zuchtleitung, Produkt eines heterozygoten Blenders. Sie war wesensschwach, klemmte ständig die Rute, bewindete mäkelnd ihr Futter, wo andere herzhaft zugelangt hatten, und mit großer Mühe kamen wir mit ihr durch die Anlagenprüfung, nachdem sie gerademal so eben die Schußscheue überwunden hatte.
Sie war für die Jagd bei uns ungeeignet, ohne rechten Willen, hatte keinen Jagdtrieb.
So bekam sie Nachbar-Kollegen als Besitzer, bei denen sie nicht zu jagen brauchte, aber gerecht gehalten wurde und Familienanschluß hatte.
 
Dann bemühten wir uns um einen Rüden aus Thüringen. Er entstammte einem bekannten, erfolgreichen Zwinger, machte uns aber erst einmal tüchtig zu schaffen.

„Hatz v.d. Sasse“  anfangs eine Enttäuschung, da er schußscheu erschien, bis der Knoten platzte und er verspätet, mit Sondergenehmigung, die A-Prüfung machen durfte. Dann war er kaum noch zu halten, ein spätreifer, aber dann um so zuverlässigerer Sauenhund, vor dem ich manche gestellte Sau erlegen konnte, endlos im Treiben, griff er jede Sau an, er war bekannt dafür, daß er bei Drückjagden notfalls auf einem stärkeren Schwein ritt, so daß keiner schießen konnte, war trotzdem gehorsam, unermüdlich im Wasser, hervorragend bei der Gänsejagd.
Sein Verlust durch meine eigene Schuld infolge einer ihm freigegebenen Hetze auf einen gut getroffenen Überläufer, wobei er einem alten und wehrhaften Keiler vors Gewaff kam, schmerzte lange, so daß ich eigentlich keinen Hund mehr führen wollte.
Auch er liegt in seinem Revier, wie fast alle unsere Hunde, und bekam an seinem Grab drei Apfelbäume gepflanzt, damit wir immer wieder einen Grund finden, ihn zu besuchen.
 
Nachdenklichkeit stellt sich ein, wenn man an alle die treuen Gefährten zurückdenkt, die uns im Leben und auf der Jagd begleiteten.
 
Meine Frau verstand es aber mich zu  überreden, und wir fuhren vor Ostern nach Hasenthal, um einen neuen Wachtel zu holen.
Leider war es ein Braunschimmel, die Farbe, die ich - beinahe ebensowenig wie die „Roten“ - mochte. Ich war auf „reinbraun“ fixiert, konnte mich allenfalls in Erinnerung an „Trude“ mit Gebrandelten abfinden.
Was solls. Es war sicherlich überhebliche Voreingenommenheit.
Meine Frau liebte „Chiko“, Dickusch,  wie sie ihn alsbald genannt hatte, vom ersten Tage, wenngleich er ein kleines Ferkel war und bald recht groß wuchs.
 Ich hatte ihn aus der Not gekauft, aber weil es ein Schimmel war, bald weiterverkauft, obwohl er in der Hand meiner Frau die Prüfungen brav bestand und dann später bei einem Kollegen ein gern geführter, sicherer und anerkannter Jagdhund wurde.
 
Noch zu seiner Zeit kam aus Bayern ein reiner Brauner, Wastel I. v. Pflanzberg -, und wie sich im Mit- und Gegeneinander zu Chiko bald zeigte, ein spurwilder Geselle mit unglaublichen Anlagen, ein wirklicher Brauner.
Ihn auf die Anlagenprüfung vorzubereiten, war eine reine Freude, obwohl es immer weniger Hasen gab. Bei aller Arbeitswut war er zugleich führig, ja schon erstaunlich folgsam.
Ich setzte alle meine inzwischen mehrfach enttäuschten Hoffnungen in diesen Wachtel.
Doch wurde er kurz vor der  ersten Prüfung vor unserem Gehöft überfahren und später nie durch seinen Nachfolger aus der danach gewünschten gleichen Paarung ersetzt. Es war einfach Dummheit - noch dazu für einen hundeerfahrenen Tierarzt - zu glauben, daß die Wiederholung einer Paarung zu gleichen Anlagen und Eigenschaften führen würde.
Ich muß wohl in Tierzucht geschlafen haben.

Wastel II. v. Pflanzberg - war ein eigenwilliger Brauner, langsam im Denken, schwer zu führen, schaffte zwar die Anlagenprüfung, doch konnte er in Vorbereitung auf die Eignungsprüfung nicht zufriedenstellen. Nicht annähernd kam er an seinen Bruder vom Wurf zuvor heran.
Man hat ihn uns aus dem Dorf heraus gestohlen.
 
Hätte ich doch Wichtel  v. Pflanzberg behalten, statt ihn auf Drängen abzugeben.
Der Züchter gab ihn mir mit Wastel II. mit, da er für ihn wegen eines vermeintlichen Herzfehlers keinen Käufer fand. Wichtel steckte in Feld, Wald und Wasser den anderen mit links in die Tasche und zeigte bald Anlagen und eine Führigkeit, die zu schönsten Hoffnungen berechtigte, doch ich hatte mich unklugerweise aber treudoof für den Wastel II entschieden und verkaufte den Wichtel.

Was aus ihm wurde, ist nicht bekannt, da zu viele, selbst brave und leistungsbereite Hunde nicht zu Prüfungen geführt werden und versauern oder zu Familienanhang ohne Arbeitsmöglichkeiten und Pflichten verkommen.
 
Als ich nun wieder ohne den vierläufigen Gefährten dastand, holte ich mir nach einigem Zögern aus dem Thüringer Wald die braune Arina v. Rappach, bald nach unserer Tochter, Rieke genannt.                           
Es war mittlerweile die Nr. 13, und wie sich bald herausstellen sollte, eine Art Unglückszahl.
Sie erwies sich trotz aller Versuche und Mätzchen, die man bei solchen Fällen anstellt, als schußscheu, zudem schwerführig, war zwar wasserfreudig, aber nur sehr kurz auf der Hasenspur.
Ich mußte sie auf der Prüfung zurückziehen.
Aber was soll’s, für unsere Jagdbelange und die kleinen Arbeiten reichte es.
Sie brauchte nur die Familie als Rudel und war der Leithund meiner Frau, verfressen, verschlafen, und ich gewann allmählich den Eindruck, daß wir es genug sein lassen sollten.
Nach über 11 Jahren war sie, von schwerer, unheilbarer Krankheit immer mehr geschwächt, ein letztes Mal im Wald und legte für meine Jägerin eine Nachsuche hin, daß wir sie so in der Erinnerung behalten können.
 
Ich war durch Mac, Carla, Trude, Rams, Assi aber vor allem meine Kater-Luise verwöhnt gewesen.
Und selbst der Spätzünder Hatz hatte mich, nachdem der Knoten bei ihm geplatzt war, nie enttäuscht.
 
Vielleicht lag es aber auch ein bißchen daran, daß man jetzt immer weniger Zeit für die beharrliche Abrichtung, für die notwendige Arbeit mit dem Hund hatte oder sie sich nicht ausreichend nahm.
Wie dem auch sei: Lange Jahre der Jagd mit den Hunden, auf den Prüfungen, in der Familie lassen ein Andenken an diese großenteils Braven, an die Deutschen Wachtelhunde, zurück, das weder meine Jägerin noch ich missen möchten.
Wir sind dafür nur aus tiefstem und ehrlichstem Jägerherzen dankbar. 
Jagen ohne Hund ist Schund! Das haben uns unsere Wachtelhunde gelehrt.
 
Mac - mehrfach tritt er in „Stille am langen Bruch auf.
Carla - begegnet uns ebenfalls in „Stille am lange Bruch“.
Trude, Rams, Assi, und Hatz, dem die „Mea culpa“ gewidmet ist - ebenso dort.
Aber auch in „Der einsame Ruf“ und „Lockt die Wachtel noch im Feld“ ist von ihnen zu lesen.
Der Kater-Luise habe ich im Andenken eine besondere Geschichte in „Stille am langen Bruch“ gewidmet. Sie hatte es, neben Mac, vor allen anderen verdient.
 
Und so bleibt in der Erinnerung das Lied vom Deutschen Wachtel, das später auf den Wachtelhund-Veranstaltungen oft angestimmt wurde:

Ich jage mit dem Wachtelhund 

Ich jage mit dem Wachtelhund auf Hase, Fuchs und Sau,

auf Hirsch, auf Reh, auf Wasserwild, so weit der Himmel blau.

Frühmorgens, wenn der Tag anbricht, zieh’n wir zum Jagen aus –

und schwindet dann das Büchsenlicht, geht heimwärts es nach Haus.

 

Im Stöbern ist er meisterlich, auf Spur und Fährte laut.

Er fürchtet auch die Sauen nicht, ist stark und schön gebaut.

Die Ente in dem dichten Rohr, den Hasen in dem Tann,

die stöbert unser Wachtel vor und bringt sie flott heran.

 

Deutsch-Wachtel, du mein Weidgesell, mein Freund und Jägers Stolz,

auf roter Fährte findest du den Bock in Feld und Holz.

Tönt dein Geläut durch Tal und Höh’n als heller Gruß herbei,

dann klingt darin ein Weidmannsheil der ganzen Wachtelei!

 Weidmannsdank!

 

 
     
     
     
     


 

Zur Wachtelei in der DDR

Diese Gedanken niederzulegen, war in mir entstanden, als ich das hochinformative, mit großer Sachkenntnis und Herzblut geschriebene Buch „100 Jahre Verein für Deutsche Wachtelhunde e.V. – Spurensuche in der Vereinsgeschichte“ von Siegfried Sassenhagen in „einem Ritt“ durchgelesen hatte. Zum Studium per „Nachsuche“ kam es danach.
Um es vorweg zu nehmen: ich bin weder beauftragt, noch glaube ich daran, umfassend und vollgültig alles das darzustellen und zu hinterfragen oder gar zu ergänzen, was mit der Wachtelei im Allgemeinen oder der Arbeit des Vereins in der DDR zu tun hatte. Eine Spurensuche oder gar sichere Nachsuche vom Anschuß bis zum Ziel kann und will ich ebenso wenig versuchen. Es wäre auch vermessen. Ich kann auch nur „Laut“ geben wie einer jener Hunde, die hier und da mal etwas gefunden haben und dann melden.
Vielmehr liegt es mir am Herzen, angesichts der großartigen, weitgespannten Darstellung Sassenhagens bescheiden, doch nicht ohne bewegte Erinnerung anzumerken, ja zu erinnern, welche aufopferungsvolle und zugleich erfolgreiche, praxisorientierte aber auch zukunftsweisende Arbeit von der nicht so sehr großen, dafür aber starken und verschworenen, zielstrebigen Wachtelführer– und Züchtergemeinde in den alten deutschen Ländern, den heutigen sogenannten „neuen“ Bundesländern, geleistet wurde. (Denn Sachsen, die Kurmark, Thüringen und Mecklenburg sind ungleich älter als andere links der Elbe!)
Dabei konnte uns die Aufteilung in DDR-Bezirke kaum beeinträchtigen; sie hatte uns eher enger zusammenschließen lassen. Unsere wichtigsten Veranstaltungen führten uns dennoch in größeren Kreisen, wie z.B. in den DDR-Siegerprüfungen und auf den zentralen Zuchtschauen, z. B. auf der „Agra“ in Leipzig, zusammen.
War der DW-Führer mit der Art und Weise einer Ausrichtung in seinem Bezirk nicht einverstanden, weil er beispielsweise solch eine Prüfung auch als einen besonderen, erlebnisreichen, gut gestalteten und mit entsprechendem Prüfungsniveau versehenen Höhepunkt erleben wollte – in dem einen oder anderen Bezirk gab es zeitweise Kritik an Prüfungsausrichtung, Revieren und Niveau – dann hatte er keine Mühe, zu besser vorbereiteten und durchgeführten Veranstaltungen in den Nachbarbezirk oder weiter zu fahren; denn so wie wir schon das Umfeld gestalteten, geeignete Reviere bereitstellten – was ja in der DDR wegen der anders gearteten Jagdverhältnisse ungleich leichter fiel – und den Prüfungshergang – und Abschluß würdig und erinnerungsträchtig bereiteten, warben wir zugleich für unsere Rasse und bestärkten die jungen Wachtelführer in dem Gefühl, einer großen Familie anzugehören.
Ich habe als Richter wie auch als Zuschauer an manchen Veranstaltungen anderer Rassen teilgenommen, war aber am liebsten bei zahlreichen Veranstaltungen der DDR-Wachtelei zugegen und mittendrin und kann erinnernd noch immer voller Freude und Dankbarkeit sagen, daß ich mich als Mitglied einer großenteils verschworenen Gemeinschaft gefühlt habe. Es waren Jäger wie ihre Hunde, sie fanden rasch „zum Stück“, gaben sehr rasch und sicher „Laut“ und waren vor allem nicht „kiesätig“, d. h., sie bewindeten nicht erst lange den Brocken, sondern langten gern und tüchtig zu. Es war eine Gemeinschaft zum Wohlfühlen, wie eine zweite „Heimat“, bei der man entweder rasch dazu gehörte, oder, selten genug, nie dazufand.
Rolf Houben mit seinem intuitiven Hundeverstand, Arno Hinz mit dem unbedingten Willen, so jagdnah als irgend möglich zu prüfen, Christoph Scheer, zurückhaltend, einfühlsam und sicher im Urteil, nie den Forstmann rauskehrend, Gerald Hübner mit dem sicheren Blick für das Wesentliche, Wolfgang Morgenstern, der kluge Züchter aus Bärenfels mit dem ältesten Zwinger, Adolar Gössel, in seiner mitunter kauzigen, mal schroffen und doch stets wohlmeinenden Art, Wolfgang „Quirlschnauze“ Rührmund, der Berliner mit dem weiten Herzen, Jürgen Schipnewski aus Anhalt, unübersehbar und unüberhörbar, Dr. Schmidt mit dem großen sachverständigen, umfassenden Wachtelwissen auf praktischster jagdlicher Grundlage, Harry Scholze, Helmut Lehniger, die beiden unverwechselbaren Mecklenburger, der stille und doch so sichere Tierarzt Dr. Hubertus Deuter mit dem kritischen Blick, Arno Leukefeld, Gürtler mit seiner ansteckenden Urgemütlichkeit, Linke, Hoffmann, Anlauf, Kostmann, Wildgrube, Dr. Schulze, Dr. Taschenberger, der nachdenklich-vorsichtige, fast pedantische Kurzweg, - ach wie viele wären noch zu nennen und ich bitte alle Jene, die ich nicht mehr nennen kann, weil mein Finderwille dem nachlassenden Gedächtnis unterliegt, zu verzeihen, daß sie in der großen Reihe fehlen. An der Spitze stand unveränderlich die Generalität der beiden Drs. Schlemm.

 
 

Selbstsicher und alles überschauend, regierten sie mit Hilfe ihres Vorstandes in fast patriarchalischer Art und Weise das weit verstreute kleine Wachtelimperium mit seinen manchmal recht unterschiedlichen Wünschen und Vorstellungen. Später kamen Neue, Jüngere, andere hinzu, übernahmen die Arbeit der Älteren und fügten sich mehr oder weniger nahtlos ein. Und vor allem begriffen sie recht bald, dass wir uns nicht um „Farbschläge“ stritten. Dank unserer erfahrenen „alten Hasen“ hatten wir zumeist R.F. und seine Gedanken rasch verinnerlicht, erlebten vor der bitteren Caesur durch die HD noch den wesensmäßigen Unterschied zwischen den „Braunen“ und den „Schimmeln“ bevor der große Einbruch kam. Uns ging es nicht so sehr um Farben oder später um „Färbungen“, obwohl wir mit Erschrecken die Zunahme der „angestrichenen Braunen“ erlebten; uns ging es um die jeweilige Leistung draußen, im harten Jagdbetrieb. Denn wir Wachtelleute in der DDR waren „durch die Bank“ Jäger mit schweren Bedingungen, wenn ich nur jene, die Hundearbeit mit beeinflussende Waffensituation bedenke. Wer einen DW führte, der wurde nicht nur mal eingeladen, nein, der mußte mit seinem Hund ran, bei jeder Gelegenheit, ganz gleich, ob es die an jedem Wochenende im Herbst und Winter stattfindenden Drückjagden, die Nachsuchen, die Wasserwildjagden oder die selbst für DW anstrengende Jagd auf Gänse waren.
Die zumeist – auch durch die gesellschaftlichen Umstände – in sich verschworene, eng geschlossene Wachtelgemeinschaft suchte und fand aber auch neue Wege, um den steigenden Anforderungen, den veränderten Jagdgegebenheiten Rechnung zu tragen. Und es war den Älteren, in ihrer fast väterlich helfenden Art zu verdanken, dass immer mehr junge Wachtelführer, die ihren DW erfolgreich zur GP vorgestellt hatten, RA wurden und so für die anfangs deutliche Zahl von Richtern anderer Rassen, die sich wohl große Mühe gaben, aber über ihren Rassenschatten nicht springen konnten, unsere Leute eingesetzt wurden.
In der DDR war lange Zeit angesichts der recht großen Jagdgesellschaften mit bis zu 20 000 ha Jagdfläche der Weitjager kein Problem. Und so fand ein gespreiztes Notensystem, wie wir es zu entwickeln suchten, das den lockeren Laut auf langer Hasenspur belohnen konnte, kaum Widerspruch.
Und doch: die vor der HD-Pflichtuntersuchung noch erfreulich verbreiteten „Reinbraunen“, also die derben, ruhigen, kürzer jagenden (nicht kurzjagenden!) mit dem nicht so rasch kommenden Laut, Hunde, wie wir sie später in den immer kleineren Revieren so dringend brauchen würden, fanden sich in diesem System bald – und im Endeffekt einer lautbetonenden Einschränkung – zurückgesetzt.
Wie auch die – wie sich zeigen sollte – langfristig gesehen, kurzsichtig hohe Benotung des überaus lockeren, rasch einsetzenden, mitunter schon bedenklich erscheinenden Lauts, der dann „über sieben Berge“ ging, jene „übernervösen“ Hunde bevorteilte – und verstärkt in die Zucht brachte -  bei denen wir nicht selten auch andere, nicht so erwünschte Erscheinungen wie zu große „Feinnervigkeit“, ja „Windigsein“ manchmal eine Neigung zur Beißerei, auch eine gewisse Empfindlichkeit beim Schuß
(keine unbedingte Schußscheue) oder ähnliches feststellen mußten. Der Übergang vom Weidlaut über den Laut der Übersprungshandlung hin zum sofort mit dem Schnallen einsetzenden, „lockersten“ Laut war bei unseren wesenfesten, derben Braunen kaum bekannt. Wir, die wir den vielseitigen, aber zuerst für seinen Führer arbeitenden Vollgebrauchshund suchten, der kein ausschließlicher Waldhund mehr war, in den kleineren Teil-Revieren (wir nannten sie Pirschbezirke), wo mehr und mehr jagdneidische Schießer ohne Hunde die Grenzen bevölkerten, wir brauchten ruhige, verläßliche Hunde, die man auch „in der Hand“ behielt.
Leider hatten selbst diese Braven immer kürzere Lebenszeiten. Jagdunfälle, Straßentod, Diebstahl und unheilige Nachbarn waren die Ursachen. Uns, die wir auf Sauen – für uns – stöberten, Gänse und Enten bejagten, immer weniger dem Hasen die Läufe kurz machen konnten, im Dickicht der Schilfwälder und Weidenverhaue einen guten, sicher festen  Nachsucher ohne lange Leine brauchten, uns war dieser Brave alte Braune vor allem durch die HD, aber auch durch eine auf höchste Nasenleistungen einseitig zur Zucht ausgerichtete Prüfungsordnung immer mehr verloren gegangen.
Ich sage es bewußt noch einmal: wir wollten doch eigentlich den Solojäger zuerst für uns, da der Stöberer, bei den Großjagden immer mehr zum Verbrauchshund degradiert – und heute durch das rote Narrenband nur ungenügend gegen nervöse Zeigefinger geschützt – nicht mehr unserem Bild entsprach:“ Ein guter Jäger macht einen guten Hund – und ein guter Hund macht einen guten Jäger“.
R.F.s „wer will Schweineköpfe jagen, der muß Hundeköpfe wagen“, blieb für uns deswegen doch bestehen; aber nicht im Sinne eines nachher kaum gewürdigten Wegwerfartikels auf Gemeinschaftsjagden mit teilweise hundefremden Gästen. Doch R.F. hatte auch nicht umsonst auf eine gut eingearbeitete Meute für die Saujagden verwiesen. Der Wachtel war und ist aber kein Meutehund, oder er verliert sein typisches Wesen. Spätestens hier hätte das große Nachdenken über solche elementaren Begriffe wie Wesen, Zuchttauglichkeit, Zuchteignung und Zuchtwürdigkeit beginnen müssen!

 
 

Warum haben wir die HD-Hunde bedingungslos gemerzt?
Als wir Tierärzte damals, unterstützt von klugen „Kopfhunden“, der Zuchtleitung vorschlugen, zukünftig in zwei Zuchtebenen zu züchten, um damit das wertvolle HD-Material wenigstens für den praktischen Jagdbetrieb zu retten, da rief das vollständiges, ja empörtes Unverständnis bei unserer „Obersten Heeresleitung“ der DW hervor. Wir hatten nicht bedacht, daß man in der Human-Medizin nichts davon wußte, daß die Tierzucht von anderen Voraussetzungen ausging und bereits hinreichende Beispiele einer Verbrauchszucht kannte. (Sieht man einmal davon ab, daß unsere hervorragend informierten, über den allerbesten Zuchtbuchbestand verfügenden „Kopfhunde“ eine nahezu absolute Paarungskontrolle besaßen; aber leider auch zu den Versuchen, Wesensfragen unserer Hunde auf breiter Grundlage zu besprechen, eine total ablehnende Haltung einnahmen, obwohl gerade im ursprünglichen Wesensurteil eine der grundlegenden Voraussetzungen für die spätere tatsächliche Zuchtwürdigkeit – nicht Zuchttauglichkeit - liegt, und deshalb die möglichst frühe Wesensbeurteilung – frei von Mätzchen, Spielereien und zeitig anerzogenen Verhaltenstricks wichtig ist.) Natürlich kann ich mit Erziehung, Übung, Dressur, Tricks manchen Mangel – auch manchen Wesensmangel – überdecken, doch wenn damals wie heute R.F.s Erkenntnis, die ja zugleich eine Forderung ist, gilt, wonach der Wachtel nur zwei Dinge, aber die mit aller Konsequenz eingebimst braucht, „down und bringen“, während er alles andere mitbringt – wenn wir richtige Zuchtauswahl betreiben – dann gehören Hunde auf keinen Fall in die Zucht, denen man die Schweißfährte z.B. mit Schokoplätzchen schmackhaft machen mußte.
Was lag also näher, als zwei Zuchtebenen zu bilden, wo die I. tatsächlich und ausschließlich für die Weiterzucht dienen würde, während die II. Ebene aus den HD-verdächtigen und befallenen Hunden bestehen konnte, deren Ergebnisse, ebenfalls streng weiter kontrolliert, zum jagdlichen Gebrauch („Verbrauch“) bestimmt sein sollten. Eine Art „Hybrid-Zucht“, bei der die Produkte züchterisch endeten.
Eine zwingende Lösung angesichts der Tatsache, daß anfangs bei mehr als 60 % der leistungsstärksten Linien – und da besonders bei den wirklichen Braunen – bedenkliche Befunde erhoben wurden.
In kurzer Zeit fielen dadurch nacheinander die besten Rüden und Hündinnen aus der Zucht, und ihre großartigen Anlagen für den Jagdgebrauch wurden unter den Vereinstisch gekehrt. Man hätte sogar, angesichts der strengen Zuchtüberwachung bei uns, mit jenen Hunden, die aus der II. Ebene mit negativem HD-Befund als „Warnhunde“ aufgetreten wären, angesichts unserer Zuchtbuchführung weiterzüchten können; zumal es gerade bei der Beurteilung der leichten oder verdächtigen HD Ermessensfragen und unterschiedliche Aussagen gab. (T.H. Berlin oder Leipzig).
Doch noch eine weitere Frage machte uns Sorgen.
Wenn, auch infolge der Notenspreizung, die Hunde mit sehr lockerem Spur– und auch sonstigem Laut bevorzugt in der Zuchtbewertung abschnitten, dann bestand die große Gefahr, daß hier „Kunst um der Kunst willen“ betrieben und die anderen, anders lauten, die ruhigeren – aber,  wie sich dann im Jagdbetrieb zeigen sollte – allemal mit ihrer Nasenleistung für den härtesten Jagdbetrieb ausreichenden, ja vielleicht sogar Geeigneteren, wenn ich an Nachsuchen denke, noch mehr rausfielen. Ich nenne sie in der Erinnerung an drei dieser Typischen, die ich selber führen durfte, die besonnenen, bedächtigen, jagdklugen Hunde, die nicht einmal phlegmatisch waren, sondern mit denen der Laut nicht durchging.
Warum konnten wir nicht, solange es sie auch noch genotypisch, nicht nur phänotypisch gab, ihre besondere Art, ihr anderes Wesen, ihre Äußerungen hinsichtlich der Zuchtbeurteilung im braunen Stamm gesondert beurteilen? Wir hätten keine gesonderten Prüfungen abhalten, nur bei den Zuchtbeurteilungen genauer hinsehen müssen. Denjenigen, die gerade diese Hunde wollten, sie für ihren Jagdbetrieb brauchten, dieses andere Zuchtmaterial erhalten und zur Verfügung stellen, wäre damals noch möglich gewesen. Und es hätte auch keinesfalls die Gefahr einer Spaltung des Vereins gegeben, wie sie hier und da als Menetekel laut wurde.
Nun scheint es fast – ich sage bewußt: fast – zu spät. Doch wirklich zu spät ist es nie, und die Entwicklung im Jagdwesen wird möglicherweise bald danach rufen.
Wir alle haben damals manchen Fehler gemacht, der uns heute schmerzt. Dazu gehörte auch, daß wir hier und da „zur Aufbesserung der Wasserfreude“ den Schimmeln braunes Blut gaben und den Braunen, zur Nachdunkelung  ihres heller werdenden Auges, Schimmel anpaarten. Was sollte das?

 
 

Wer den Weitjager fürs Gebirge braucht, macht ihn nicht kürzer, um eventuell mal eine Ente gebracht zu bekommen; und mit dem Auge machte man den gleichen Unsinn, der in der deutschen Herdbuchzucht nur Tiere mit weißen Beinen und anderen Abzeichen an der richtigen (?) Stelle gelten ließ. Wenn man das bei den Bienen mit bestimmten Abzeichen machte und macht, dann, weil es ein sicheres Rassemerkmal ist. Aber helle Augen bei Wachteln störten nur die Schönheitszüchter. Schließlich sollen unsere Hunde keine glutäugigen Italienerinnen sein. Welches Leistungsmerkmal war an das „dunkle“ Auge genetisch gebunden?
Neuerdings melden sich einige wenige Jüngere, leider auch aus anderen Rassen, wegen der „Farbschläge“ zu Wort. Wo es Jeanine Böhler nur um die Farbe geht, will ich noch folgen, denn wir brauchten nicht unbedingt jene „Roten“, die wir nicht selten „windig“, schußscheu und angstbeißerisch auf Prüfungen erlebten. Aber hat die junge Weidgenossin jemals einen derben Braunen draußen erlebt? Ich kann ihn ihr nicht mehr vorführen, aber ich habe sie noch über viele Jahre führen dürfen.
Ich habe aber auch derbe Braune „rot angestrichen“ im Thüringer Wald auf Prüfungen richten können, bei denen es eine Freude war, sie arbeiten zu sehen. Dann spielt die „Farbe“ wirklich keine Rolle. Doch wozu muß ich rot angestrichene Braune haben? Wer will sich später noch im züchterischen Multikulti zurechtfinden? R.F mochte ja diese Farbe grundsätzlich nicht. Er ahnte wohl, was dahinter stecken konnte. Wer einen bunten Hund braucht, wem es die Farbe angetan hat, der soll sich unter den Hunden von Laika bis Beagle umsehen. Er wird etwas für sich finden.
Es kommt auf das Wesen in der Beständigkeit einer Rasse an! Wem die teure Kanone wichtiger als der gute Jagdgebrauchshund ist, der hat bei den Wachtelleuten ohnehin nichts verloren.
Nicht unähnlich kam  ein weiterer Versuch jüngerer „Jagdhundewissenschaftler“ in „Macht der Gewohnheit“ „Unsere Jagd“, Heft 12/97 daher.
Schade, P. Adomeit, daß Sie nicht erkennen ließen, ob Sie gerade die Hochschule absolviert hatten und das selbstgerechte tierpsychologische, zum Teil noch von Konrad Lorenz beeinflußte, aber praxisfremde Vokabular an uns „Ungebildete Bauernjäger“ weiterreichen wollten, oder wie viele Hunde Sie schon aufgezogen, abgerichtet und erfolgreich geführt haben.
Der Ausdruck „Spurwille“ störte Sie.
Sieh mal an!
Oberländer und Friess, Hegendorf und Granderath, Eiserhardt und Lux und, und, - und vor allem die Vielzahl mit allen jagdhundlichen Wassern gewaschener, auf zig Prüfungen erfolgreich beobachtender und urteilender Richter und Rüdemänner- und Frauen gebrauchten seit langem so ein gewöhnliches Wort “Wille“, statt des vornehm klingenden „Instinkthandlung“. Ja, mit der guten alten deutschen Sprache blamiert man sich in dieser auf „engleutsch“, „Ismen“ und „hochtrabend fremd“ daherkommenden neuen Welt. Das hat nichts mit in der Vergangenheit leben zu tun, nichts mit Verkrustungen oder „Kategorien“, sondern einfach damit, dass wir die sicheren Erkenntnisse, Jeanine Böhler, nicht wie heute üblich, mit dem Bade ausschütten wollen. Da tut ein gutes Buch – ich empfehle nacheinander R.F., Dr. Schmidt- Schlemms oder Sassenhagen – gut! Und eine ausreichende Jagdpraxis mit Stöberhunden, wenn man über die urteilen will.
Und dann wird gar noch nicht ausgeschlossen (oder soll das eher ein Zugeständnis sein), daß man „den Instinkt fördern“ kann.
Bremsen, mildern, beruhigen, wo zuviel „Wille“ zu weite Wege über „sieben Hügel bis an den Horizont“ geht und auszuufern droht, das mag möglich, wenn auch nicht so ganz einfach sein, aber
„ einem lahmen Gaul Feuer unterm Hintern machen“, sprich: einem willensmäßig schwach veranlagten Hund beibringen, eisern an Fährte oder Spur zu arbeiten, wenn die „Nase“ nicht mehr als veranlagt leisten kann, das scheint nicht nur mir fast die „Quadratur des Kreises“.
Wer aber erlebt hat, wie ein Hund trotz schwacher Nase immer wieder vorwärts „will“, wie er kreist, bögelt, nicht abbricht und so immer wieder ein Stück voran kommt, obwohl es doch so schwer für ihn auf diesem dünnen Fädchen Hasenspur wird, dem ist die sprachliche Nähe zu „Spurwille“ verständlicher und überzeugender als „Spurinstinkt“. Die derben alten Braunen kamen auch voran, auch weit, aber sie läuteten eben anders.
Verhunzen wir doch bloß nicht unsere noch immer schöne „Weidmannssprache“, (in die unsere Arbeit mit unseren vierläufigen „Weidkameraden“ eingeschlossen ist), mit scheinwissenschaftlichen Termini, die auch nur irgendwann erfunden sind - und mit Spitzfindigkeiten.
Zu dem Wort „Treue“ oder der „Anhänglichkeit“ ließe sich ähnliches sagen.

 
 

Und wer meint, man könne jeden Hund an das Auto gewöhnen, der hat noch nicht den - zugegeben - seltenen Fall erlebt, wo so ein armes Kerlchen trotz zwischenzeitlicher Medikation das Innere des „heiligs Blechle“ immer erneut vollgekotzt hatte und mit immer wieder deutlichen Zeichen der Unruhe hinten oder vorn auf das erlösende Ende der Fahrt wartete.
Unsere Tiere, schon gar die zig Generationen in engstem Kontakt mit den Jägern und deren Familien lebenden Jagdhunde, lassen sich nicht in ein von neuen Lehrmeinungen heiß gewünschtes, kybernetisches Modell pressen.
Sonst hatte eventuell der Ulbricht recht gehabt mit seiner nachdrücklich verkündeten Überzeugung: „Also, die Kybernetik, nicht wahr, das  ist eine einzige  kapitalistische Pseudowissenschaft.“
Schade, daß ich nicht sächsisch kann, da klingt es noch viel überzeugter.
Trotzdem entwickelte sich die Wachtelei in der DDR zu einer Rassezucht, die nicht nur fast ständig den dritten Rang in den Wurfzahlen erreichte, sondern mehr und mehr dem besonders harten Jagdbetrieb in Mitteldeutschland die für die häufigen Drückjagden ebenso wie für die Einzeljagd notwendigen, guten Hunde zur Verfügung stellte. Daran hatten neben den oben Genannten und noch vielen anderen, Züchtern, Richtern auch die unermüdlich tätigen Hundeführer früher oder später ihren großen Anteil.
Es betrübt mich, daß in der großartigen Schrift von Sassenhagen dieser unter ziemlichem Druck der Regierenden wie ihrer Helfershelfer besonders bei den Drahthaarleuten (Röhler, Roese) gestandene „Verein für Deutsche Wachtelhunde in der DDR“ fast nur hinsichtlich der Vorgänge um die Wendezeit gewürdigt – oder besser erwähnt wird.
Denn es muß immer wieder gesagt werden, daß die Wachtelei in der BRD nicht ansatzweise solche Bedrängungen und Zurücksetzungen erfahren hat, wie sie unser Verein immer wieder hat hinnehmen müssen. Das fand seinen besonderen Niederschlag in den Durchführungsbestimmungen zur Jagdgebrauchshundehaltung, die den Wachtel nahezu diskriminierten, das zeigte sich in der Forderung, diesen „Deutschen“ Wachtelhund „Wachtelhund in der DDR“ zu benennen.
Zwar war infolge des starken Rückganges des Niederwildes der Vorstehhund nicht mehr so gefragt und die Kollektiv-Jagd wurde hauptsächlich mit Terriern, Bracken, Wachteln, Teckeln einigen wenigen DL sowie KLM bestritten, doch hatte man – von ganz oben unterstützt – fremde Rassen eingeführt, die, ganz besonders die russische Laika, für unseren Jagdbetrieb ungeeignet waren.
Stattdessen gab es aus der CSSR, Ungarn und Polen immer mehr Wünsche nach DW.
Eine ganz besondere Belastung für Prüfung, Zucht und Arbeit stellte jene Verordnung dar, die am liebsten alle Jagdhunde über einen Kamm scheren und Leistungszeichen nicht mehr insgesamt forderte, sondern in Fächern abfinden wollte. Das war ein offensichtliches Zugeständnis an Jene, die sich außerstande sahen, ihren Vierbeiner ordentlich abzurichten. Eine Art Teilfacharbeiterprüfung! Bittere Zungen sprachen von Jagdhundekommunismus.
Wir hatten zwar in der DDR bei der Gebrauchsprüfung der Wachtel auch eine Spezialisierung nach Stöberer und Schweißarbeiter beschlossen, doch blieben die beiden Fächer nebeneinander bestehen und wurden nur unterschiedlich gewertet.
Viele dieser Fragen, auch die lange Diskussion um das 10er Notensystem, hätten einer ausführlicheren Darstellung bedurft, kam es doch von uns! Ich erinnere nur daran, daß damals die Vorstehhundeleute sofort mit einem, nun wirklich unsinnigen 12er System nachzogen. Sie hätten am liebsten noch die „0“ gespreizt.
Der deutsche Wachtelhund war 45 Jahre räumlich, nie wirklich inhaltlich getrennt. Ich habe das mit meiner Zucht am eigenen guten Beispiel, leider nur in einer Richtung und gewiß ohne persönliches Zutun, erlebt, wenn ich an die erzwungenen Exporte des Elchwinkel-Blutes denke.
Wir gingen unseren Weg trotz der Behinderungen konsequent weiter und haben endlich wieder zusammen gefunden.
Das sollte doch mal von Anfang an gewürdigt werden.
Eine ungenügende Beachtung der großartigen Leistungen der vielen Wachtelfrauen und Männer in der einstigen DDR – wenn auch nur im Nachhinein - wäre nicht weidgerecht. Man mag mir zugute halten, daß ich spät, viel zu spät aufgemüdet wurde. Andere wären berufener gewesen.
Weidmanns- und Wachtelheil!

Dr. Wolfgang Köpp
einstmals DW-Zwinger „Bringtreu“
Haus München 38
D-17217 Alt-Rehse

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Kater-Luise (Erinnerungen an einen Deutschen Wachtelhund)

Die Erinnerung an meine treue „Wachteline“, die Stammutter einer ganzen Reihe derber brauner Hündinnen und Rüden kommt fast bei jedem Reviergang und jeder Jagd aus den Hecken und Brüchern, den Blänken und Seen, den Feldgehölzen und Wäldern dieser Mecklenburger Landschaft auf mich zu. Immer wieder leuchtet etwas aus dem grünen Waldesdunkel der Erinnerung auf, wie plötzlich ein von Wolken freigegebener Sonnenstrahl zwischen dunklen Kronen hindurch auf ein Fleckchen fruchtbaren Waldboden fällt und mit seiner Wärme neues Leben hervorlockt. Natürlich tauchen hier und da auch die anderen Hunde auf, Rüden und Hündinnen in bunter Folge, alles brave Deutsche Wachtelhunde – aber jeder unverwechselbar anders in seinem Wesen, in der Arbeit, im Temperament und so auch in der Erinnerung. Allen gemeinsam ist, daß sie gute, fleißige, anhängliche, kinderliebe und dabei doch jagdwilde Gesellen waren, denen kein Wild zu stark, kein Wasser zu weit, keine Dickung zu derb, kein Wetter zu arg war – von unglaublicher Passion erfüllt, hart im Nehmen selbst dann, wenn es an die eigene Jacke ging – und die meisten von einem schier unglaublichen Finderwillen getrieben und von seltener Bringfreude- und Treue beseelt.
1971 führte ich meinen braunen Rüden Mac aus Meesiger (oder führte er mich?), einen derben, stuckigen Arbeiter und selbstbewußten Jagdgefährten, von dem ich wohl mehr lernte als er durch mich, und daneben die eher kleine, braune, sehr feinnervige und hochveranlagte Hündin Carla vom Bickenbach.  Zu der Zeit also – im Überschwang der Prüfungserfolge und des berechtigten Stolzes auf die Leistungen beider – hatte ich als angehender Wachtelrichter die folgenden Verse für ein Lied geschrieben, das seither oft auf den Veranstaltungen der Wachtelei gesungen worden ist – nach der Melodie: „Ich bin ein freier Wildbretschütz ...“.

 

 
 
Ich jage mit dem Wachtelhund

Ich jage mit dem Wachtelhund auf Hase, Fuchs und Sau,
auf Hirsch, auf Reh, auf Wasserwild, so weit der Himmel blau.
Frühmorgens, wenn der Tag anbricht, zieh’n wir zum Jagen aus –
und schwindet dann das Büchsenlicht, geht heimwärts es nach Haus.Gemälde "Dohle Bringtreu"

Im Stöbern ist er meisterlich, auf Spur und Fährte laut.
Er fürchtet auch die Sauen nicht, ist stark und schön gebaut.
Die Ente in dem dichten Rohr, den Hasen in dem Tann,
sie stöbert unser Wachtel vor und bringt sie flott heran.

Deutsch-Wachtel, du mein Weidgesell, mein Freund und Jägers Stolz,
auf roter Fährte findest du den Bock in Feld und Holz.
Tönt dein Geläut durch Tal und Höh’n als heller Gruß herbei,
dann klingt darin ein Weidmannsheil der ganzen Wachtelei!

 
 
 

Ja, so war’s damals. Die „Wachtelei“, das war der „Verein für Deutsche Wachtelhunde e.V.“, dem wir später auf Verlangen der Obrigkeit noch den Wurmfortsatz „in der DDR“ anfügen mußten. Es war eine verschworene Gesellschaft von Praktikern der Jagd, echten Rüdemännern- und Frauen. Daß man uns „oben“ sehr gern sah, kann ich nicht behaupten, waren wir doch nicht in der alles behütenden und vereinigenden GST,  der Gesellschaft für Sport und Technik, wie damals der Dachverband hieß, sondern eben ein eigener Verein. Solche Eigenbrödelei war oben nicht beliebt. Und außerdem – „Deutsche Wachtelhunde“, das klang doch sehr anrüchig innerhalb der sonstigen Abgrenzungsanstrengungen.
Aber wir liebten unsere Hunde und wußten, was wir an ihnen hatten. Und das Schlimmste war immer dann, wenn wir Abschied von einem dieser vierläufigen langjährigen Jagdgefährten nehmen mußten. Dann war man plötzlich – und nicht nur auf der Jagd – ganz allein.
Und davon soll die folgende Geschichte handeln.

 

 
 
Kater Luise

Zum ersten Mal seit langer Zeit – ja, wie lange ist es eigentlich her, seit 1965 – sitze ich allein ohne Hund, ohne den vertrauten, verläßlichen Begleiter an der Waldkante. Noch vor drei Wochen hatte mich, zwar langsam, häufig verhoffend, die alte Wachtelhündin begleitet – nun ist auch das vorbei. Elf Jahre Hundeleben, gemeinsame Freude bei der Jagd, treue selbstlose Jagdhilfe, ständiges Dabeisein auf den Praxisfahrten bei Tag und Nacht sind zu Ende. Ich mag an den letzten Augenblick nicht mehr denken – doch es mußte sein. Die schwere unheilbare Krankheit war ihrer Lebenskraft und großen Passion überlegen. Wir haben sie am Rande des Bruchs neben der langen Schlehdornhecke bei der alten hohen Pappel begraben. Ein Steinwall schützt sie, und die weitragenden Äste der riesigen Pappel schirmen den Platz und die dort neu errichtete Kanzel. Bis zum Dorf ist es nicht weit, und so können die Kinder, die sie abgöttisch liebten und denen sie ein immer freundlicher Spielkamerad war, sie von Zeit zu Zeit besuchen.
Daß muß ja sein, denn ich erinnere mich, wie meine Tochter, als unser erster Hund Mac dahinging, lange Zeit mit mir kaum noch sprach, bis ich auf den großen Stein an seinem Grab an der Waldkante zur Erinnerung seinen Namen und einen Spruch schrieb und sie von da an fast täglich die sechs Kilometer mit dem Fahrrad dorthin fuhr.
Heute, während ich hier auf der Kanzel unter der Pappel sitze und mich erinnere, da frage ich mich, ob es einen solchen Jagdhund wie Luise noch einmal für mich geben wird? Das hört sich pathetisch an, doch war sie nach dem Rüden Mac nicht nur der leistungsstärkste und vielseitigste, sondern auch der von allen zwölf  Hunden, zu dem wir alle in der Familie die größte Bindung hatten – wir alle, das heißt auch und vor allem die Kinder. Und das kam so:
Wir wollten schon lange Deutsche Wachtelhunde züchten. Das hört sich so einfach an, wenn man den heutigen Zustand der allgemeinen Hundezucht erlebt, wo fast jeder machen kann, was ihm beliebt, und wo mitunter Welpen in regelrechten Hundefabriken unter aberwitzigen Bedingungen erzeugt, gehalten und an den Mann gebracht werden. Je mehr Welpen, umso besser, ganz gleich, was sie bei der Geburt wiegen und wie sehr die armen Hündinnen in diesen Massenzuchten frühzeitig verbraucht und zerstört werden.
Bei den meisten Jagdhunderassen war das hier bei uns in Mitteldeutschland anders, auch bei den Wachtelhunden. Da wurde längst nicht jeder Rüde und durchaus nicht jede Hündin gebilligt, und ehe man die Zwingerzulassung bekam, wurde erst gründlich geprüft und sorgsam bewertet, und grundsätzlich durften nur sechs Welpen aufgezogen werden. Heute reden selbsternannte Tierschützer in die Zucht hinein, verlangen die Aufzucht aller geborenen Welpen ohne Rücksicht auf Zahl, Gesundheit und Chancen, und wenn dann so ein paar Schwächlinge, die kaum oder gar nicht das Gesäuge finden, weil kein Lebensmut und keine Kraft in diesen Würmchen ist, nach wenigen Tagen hilflos verenden, dann ist es gut. Man hat seinen Willen, ungetrübt von Ahnung und Wissen, durchgesetzt. Den Hundefabriken ist das nur recht. Sie produzieren auf Deibel komm raus, was gefallen ist, und verkaufen das dann noch für unglaubliche Preise und viel zu früh.
Wachtelhunde züchten, das ist wahrlich nicht so einfach. Mal hatte eine Hündin einen Erbfehler, eine andere war mit fehlerhaften Geschwistern belastet, und so wollte es über Jahre nichts werden. Rams von der Ohre, unser Herr Rüde, wegen seiner Schönheit und Friedfertigkeit der erklärte Liebling aller Kinder und dörflichen Hundedamen, hatte noch keine geeignete Nachbarin im Zwinger.
Doch eines Tages im Sommer war es dann endlich soweit. Meine Frau holte sich aus Berlin ein braunes Hundemädchen. Quirlig war das kleine Kerlchen, kaum zu bändigen, und die Kinder hatten nun etwas zu bemuttern; anders jedoch der große Rüde, der auf die Berlinerin eifersüchtig war und sie als Hündin noch nicht erkannte.
Doch ich wollte meine eigene Hündin führen. Also fuhr ich eines schönen Tages mit Frau und Tochter im Moskwitsch nach Uftrungen im Harz. Dort war auf einem Forsthof ein brauner Wurf gefallen und mir eine Hündin zugesagt worden. Die Förstersfrau – sehr bedacht – führte uns fünf der sechs Welpen vor, alles quicklebendige kleine Wachtel, die den großen Forsthof zu ihrem Spielplatz erkoren hatten und buchstäblich über Tisch und Bänke gingen. „Die Eine hier, die nehmen Sie am besten, das ist die Pfiffigste, die Lebhafteste“, meinte die fürsorgliche Frau.
Ach du gütige Jagdgöttin; ich hatte schon eine sehr pfiffige Tochter, meine Frau besaß inzwischen schon ihre ausgesprochen lebhafte kleine Assi, und ich sollte noch so einen Pfiffikus dazunehmen? Ich fragte nach der sechsten. „Ach wo, ich bitte Sie, das ist doch nichts für Sie, das ist so eine träge, dicke Schlafmütze, die liegt nur unterm Fliederbusch und döst den ganzen Tag,“
Die wollte ich mal sehen, schließlich konnte ich ja wählen, das hatte man mir am Telefon zugesagt. Nach einigem Hin und Her wurde die „Schlafmütze“, unsanft im Genick gepackt, hervorgeholt und mir gegeben. Das dicke Kerlchen machte dabei kein Auge auf, schlief auf dem Arm weiter, ein richtiger dicker brauner Tobben mit herrlich langen Behängen – wahren Schüsselwischern. Es war Liebe auf den ersten Blcik, als sie mich endlich verschlafen anblinzelte. Die nehme ich, die will ich und keine noch so Pfiffige! Fast schien die Hausfrau böse zu sein, daß ich ihrem Rat nicht gefolgt war, doch ich wußte, was ich wollte. Na, wie das ist so beim Jagdhundekauf, ein Wort gab das andere – und Kaffee und Kuchen gab’s – „bleiben Sie doch noch, mein Mann kommt am Nachmittag“, doch nein, es tat uns zwar leid, aber wir mußten ja zurück nach „Südschweden“, wie Mecklenburger sich selbst manchmal auf die Schippe nehmen. Bis nach Hause war es ja ein Ende hin durch die halbe Republik.
Mutter und Tochter saßen hinten und betreuten die verschlafene kleine Hündin, und ich hörte, während ich mich auf die Fahrt konzentrieren mußte, wie eine nach der anderen rief: „Jetzt hab ich einen“.
„Und  ich auch“. Und so ging es während der ganzen Reise.
Sie sammelten Flöhe. Schon auf dem Forsthof hatte die Förstersfrau lakonisch bemerkt: „Na ja, einen Floh hat sie wohl“, denn meiner Frau war das verdächtige Kratzen mit dem hinteren Lauf aufgefallen. Einen? Herrjeh, saß diese kleine Dicke voller Plagegeister! Als wir nach langer Fahrt zu Hause ankamen – es war später Nachmittag, und wir wollten für Herrn Rams noch eine Übungsschleppe mit einer Stockente legen – da gab’s die erste faustdicke Überraschung. Die kleine, acht Wochen alte Hündin wurde aus dem Auto in den für sie fremden, großen Garten entlassen, stutzte kurz,, nahm die Nase in den Wind, sprang an einer Schubkarre hoch, hatte den dort für die Schleppe abgelegten, am Vortage geschossenen Wilderpel im Fang und – brachte! Sie brachte den für sie viel zu großen Erpel stolz an!
Natürlich wollte sie noch nicht ausgeben, aber was soll’s. Sie brachte, sie trug, dieses kleine Kerlchen. Diese scheinbare Schlafmütze apportierte einen Stockentenerpel so, als wäre das nichts, als hätte sie das schon immer so gemacht, und ich war sicher, sie hatte noch nie eine Wildente gesehen, geschweige denn im Fang getragen.
Und da ritt mich, nachdem wir alle uns von dieser Überraschung erholt hatten – Diana verzeih mir! – der „Jagdhundedeibel“. Ich ließ von meiner Tochter draußen im Feld eine 120-Schritt-Schleppe legen, noch bevor Rams gearbeitet hatte. Und die zweite faustdicke Überraschung folgte. Die Hündin, dieser Witzling, fand, gut drei Meter seitlich unter Wind mit flottem Tempo voransuchend, sofort zum Schleppenwild, nahm ohne Besinnen den Erpel auf und brachte, ohne abzusetzen, das Wild an.
Wer bei der Wasserwildjagd oder in der Wiese, auf den Stoppeln oder im hohen Schilf Hundearbeit verschiedenster Güte erlebt hat, nur der kann nachempfinden, was Federwildbringen heißt, wieviel Arbeit an so manchen Hund verwendet werden muß, wie viel Geduld dazugehört, ehe das Bringen nicht nur spielerisch, nach dem Willen des Hundes, sondern bedingungslos erfolgt – unter allen Umständen. Gibt es denn umsonst die herrlichen humorvollen Zeichnungen von Geilfuß und anderen, auf denen die enttäuschten Entenschützen sich entsagungsvoll aber todesmutig ins Wasser begeben, um zähneknirschend ihrem Hund mit der Ente im eigenen Gebrech das Bringen praktisch vorzuführen?
Natürlich war das, was wir hier von dem Welpen erlebten, noch kein verläßliches Bringen. Dazu gehörte weit mehr, denn nicht umsonst hat der Altmeister der Deutschen Wachtelhundzucht, Oberförster Rudolf Frieß, immer wieder betont, daß der Wachtel nur zwei Dinge unnachsichtig und konsequent anerzogen bekommen muß: das sichere „down“ , damit man ihn jederzeit in der Hand hat, und den absolut zuverlässigen „Apport“.
 

 
 

Damals hat das gewiß gestimmt, doch heute, da wir vom ehemaligen Wald- und Försterhund weit mehr verlangen, und er zum Vollgebrauchshund geworden ist, da muß auch die Schweißarbeit und alles, was mit der Arbeit am und im Wasser zu tun hat, sitzen. Was hier bei diesem Winzling zu sehen war, das konnte man schon mit Bringwut benennen, das war angewölft. Ob es aber einmal zur Bringtreue führen würde, das hing allein davon ab, wie sich das Verhältnis von „Leithund“, sprich Hundeführer, zum jungen Hund entwickelte. Es lag also an mir.
Doch bevor es zu diesen „Schularbeiten“ kam, noch lange vor den Flegeljahren junger Hunde, bevor wir beide anfangen konnten, ernsthaft zu üben, gab es einen bösen Zwischenfall, der beinahe alle meine hochfliegenden Pläne zunichte gemacht hätte. Kaum zwölf Wochen alt, brach sich die Hündin bei der Arbeit auf der Hasenspur in einem Loch den rechten Vorderlauf – und so unglücklich, daß an ein schienen oder ähnliches nicht zu denken war. Das sofort angefertigt Röntgenbild ließ uns fast verzweifeln. Tierarzt sein und nicht einmal dem eigenen Tier helfen können, in Hundeaugen blicken, die ängstlich hilfesuchend flehen, das geht an die Ehre des persönlichen Berufsethos. Was also tun? In der nahen Tierklinik empfahlen die Spezialisten für den Patienten Ruhe (!), ein Wasserbett (!!) oder ähnliche bedeutungvolle Therapien. Ich wollte nicht aufgeben. Nach kurzem Telefonat ging es am nächsten Tag in die Chirurgie der Tierärztlichen Hochschule Berlin.
Noch heute klingen mir die Worte meines Professors Dietz nach der gründlichen Untersuchung, im schönsten, breitesten Sächsisch losgelassen, im Ohr: „Mer wärn sähn – loofen wärd se wiedärr gönn, aber ob se noch wärd jächten gönn? Nu, mer wärn sähn!“
Mehrfach genagelt, verlebte die Kleine Wochen in der Familie, die ihr wahrscheinlich wie der Hundehimmel vorkamen.  Das fing schon an, als meine Frau das frisch operierte Hundemädchen per Bahn nach Hause holte. Der dicke Verband, der das kleine Wesen einhüllte, erregte sofort die Aufmerksamkeit und das Mitleid der Berlinerinnen in der S-Bahn, und meine Frau hatte , wie sie uns erzählte, bei der bekannten Tierliebe der eingeborenen Hauptstädter alle Mühe, noch zeitig den D-Zug zu erreichen.
Bevor nach mehreren Wochen in Berlin wieder die Nägel gezogen wurden, verhätschelten, verzärtelten und vertrottelten drei Kinder und die Hausfrau den Familienpflegefall. Nachts schlief sie auf einem Kissen in meiner Armbeuge. Doch tagsüber hielt sie es bald nicht mehr auf dem Kissen. Sie mußte entdecken.
Und dann, nach der weitgehenden Ausheilung, endlich, endlich, konnten wir sehen, was mit ihrer jagdlichen Tauglichkeit war. Hatten wir sie zu sehr verwöhnt?
Ach, was!
Jetzt zeigte sich das wahre Wesen der kleinen Draufgängerin,
Der angewölfte, unglaubliche Spur- und Finderwille hatte endlich seine Chance, und sie konnte ihn zeigen. Anfangs fast auf drei Beinen, ob im Wasser, auf dem Feld oder im Wald, sie suchte, sie begann zu stöbern, daß es eine Lust war, ihr zuzusehen. Der kranke Lauf, zwar noch mitgewachsen, aber nicht mehr voll einsetzbar, schien nicht zu behindern, er wurde über Hindernissen, im Wald oder im Wasser, vergessen.
Jeder Tag mit ihr brachte neue Erlebnisse und neue Freuden. Natürlich kam sie mit auf Praxis, blieb im Wagen, bis ich mit der Arbeit fertig war, und sie fuhr mit mir den ganzen Tag und manche Nacht über Land. Jede Gelegenheit unterwegs wurde genutzt. Saß hier ein Hase in der Morgensonne am Feldrain, so wurde seine Spur gearbeitet, war dort ein Wasserloch mit Bleßhühnern, so mußte deren Mittagsruhe dran glauben. Sie holte alles nach. Vielleicht hätte ich mit anderen Hunden nicht halb soviel gearbeitet. Ihr war es nie genug. Zwischendurch schlief sie fest und schnarchte, daß man mitunter an eine Störung des Automotors denken konnte.
Als die Anlagenprüfung kam, war ich dennoch nicht sicher.
Wer miterlebt hat, wie selbst robuste Hunde nach einem langen Prüfungstag durchhängen, weil die vielfältigen Anforderungen  und Anstrengungen sogar dem trainierten Hundeführer das letzte abverlangen; wer weiß, wieviel Konzentration und Anlage von dem Hund auf der Hasenspur gefordert  wird, die der dann oft so scheinbar spielerisch absolviert, der allein kann ermessen, wie sehr die jungen, oft noch nicht ausgewachsenen Hunde gefordert werden.
Ich erinnere mich an die Jugendsuche, die A-Prüfung mit meiner Carla. Das kleine Mädchen war in dem Frühjahr zur Prüfungszeit gerade mal fünf, ich wiederhole mich gern: fünf Monate alt. Die Prüfung lief bei ausgesprochen widrigen Bedingungen ab, trockenem Wetter und starkem Sturm. Auf dem kaum bewachsenen Flugsandacker, der die auskeimenden Lupinen mehr ahnen als sehen ließ, stand der Sand fast waagerecht in der Luft. Die Wasserfläche des Prüfungsteiches war von hohen Wellen mit Schaumkämmen gezeichnet. Zu allem Unglück (?) leiteten diese Prüfung auch noch unsere beiden „Oberhirten“ der Wachtelei aus Thüringen, die damalige Hauptzuchtwartin des Vereins und ihr Mann, einer der versiertesten, besten Kenner der Wachtelhundszene, ein absoluter Könner seines Faches. Zur Begrüßung bekam ich gleich den ersten „Streifschuß“: „Was wollen Sie denn mit dem Welpen hier? Die soll doch wohl nicht etwa laufen?“  „Doch, doch, deswegen bin ich ja hier.“
Große Beratung! Darf ein fünf Monate alter ...? Die Prüfungsordnung sprach nicht dagegen, also durfte sie. Einziger Nachteil (?) – sie kam als Jüngste immer zuletzt dran.
Gehorsam war sie, da hatte ich keine Angst. Aber auf dem Acker eine Hasenspur arbeiten? Da war doch weniger als die Hälfte von nichts zu wittern.
Wir ziehen also los, die anderen Hunde, sie hatten das Glück, in einer wenigstens halbwegs frischen Wiese ihre Hasenspurarbeit zu zeigen, in gehörigem Abstand mit ihren teils glücklichen Führern hinter uns. Plötzlich steht ein Hase in einiger Entfernung auf und macht lange Läufe. „Hat Ihr Hund den Hasen gesehen?“ kommt die übliche Frage.
Natürlich nicht, außerdem ist er viel zu klein, denke ich. „Nein, nein.“
„Dann mal los, setzen Sie Ihren Welpen mal an.“
Ich haste hin, das Kerlchen weiß nicht so recht, läuft aber aus Begeisterung erst mal mit, plötzlich nimmt es die Nase runter, obwohl der Sturm den Sand wirbelnd über die trockene Fläche jagt. Ein kurzer Laut, ich lasse Carla aus der Halsung laufen, und ab geht mit hohem Jiffen die Hasenpost. Nach gut zweihundert Metern steht ein zweiter Hase in der Spur auf, die Hündin äugt zwar im lauten Vorwärtsstürmen hin, bleibt aber dem ersten Hasen treu und marschiert, immer laut, weit bis an den Horizont. Als sie zurückkommt, macht sie auf halber Spur kehrt und nimmt die zweite Spur auch noch, wenngleich jetzt der Laut in etwas größeren Abständen folgt. Als ich sie dann anleine, den Pfefferkuchen holt sie sich fast allein aus der Tasche, und sie gehörig abliebele,

 
 

 da ruft der Hauptzuchtwart laut über die Korona hin: „Na, nun dürfen Sie die Kleine ruhig küssen.  So was hab ich noch nicht gesehen. Das ist der jüngste in meiner Praxis gelaufene Wachtel“.
Es sollte noch besser kommen.
Vor uns lag ja noch die Wasserarbeit. Nachdem alle Hunde erst einmal genügend geschöpft hatten, sollte der erste, der älteste ins Wasser. Vorsichtig stelzte er hochbeinig ein paar Schritte rein, dreht sich um und kam wieder. Erdklüter flogen als Unterstützung, zuletzt ein Stöckchen – nichts, er war nicht zum Rausschwimmen zu bewegen. So ging es noch einigen. Das stark aufgewühlte Wasser, noch dazu empfindlich kühl, entsprach nicht ihrer Tagesform. Da half kein Bitten, kein Locken und kein Schimpfen.
Carla war dran. Ich löste die Halsung, redete sie wie üblich leise an – und raus ging’s. Sie schwamm, untersuchte draußen die Bülten, zog zum gegenüberliegenden gut hundert Meter entfernten Ufer. Ein Pfiff, sie drehte sich um, ließ sich per Handzeichen wieder schicken und dachte gar nicht daran rauszukommen. Es machte ihr Freude – Wasserfreude.
Staunen!
Nicht nur die anderen Hundeführer, teils neidisch, teils begeistert, wunderten sich. Die beiden Oberrichter und ihr Richteranwärteranhang schüttelten die Köpfe – der „Welpe“? Nach einiger Beratung kamen sie zu mir. „Würden Sie Ihre Hündin noch mal reinschicken? Wir wollen sehen, ob dann die anderen Hunde auch das Wasser annehmen.“
Und so kam es. Der „Welpe“ schwamm, einer nach dem anderen folgte ihr, und so verhalf die anfangs Verspottete, die man erst gar nicht hatte zulassen wollen, den anderen älteren Junghunden sogar noch zu einer bestandenen Prüfung. Ihre Ehrenschleife und die Medaille trug sie dann nach der Siegerehrung, als wüßte sie, daß sie die volle Punktzahl erreicht hatte.
Warum ich von Carla erzählt habe? Prüfungsglück und Prüfungspech liegen so dicht beieinander, aber nur ein wirklich veranlagter und einigermaßen eingearbeiteter Hund kann auch gute Leistungen bringen.
Doch zurück zu meiner kranken Hündin. Hasenspurarbeit so vorzuführen, daß es für eine spätere Zuchtwürdigkeit reicht, hieß für den Hund schon normalerweise, weite Wege sicher mit gutem Laut gehen. Aber ein Hund fast auf drei Beinen?
Was dann aber kam, war für die versierten Richter, lauter alte, mit allen Wassern der Richterschläue gewaschene Rüdemänner, so erstaunlich, daß sie, selten genug bei Deutschen Wachtelhunden in der Anlagenprüfung und bei den Braunen eine große Ausnahme, die Höchstnote für den bedingungslosen Spurwillen gaben, mit dem die Hündin die weiten Arbeiten durchführte. Da steckte der Lohn für die schöne Leistung trotz Behinderung drin.
Und so ging es weiter. Zur Eignungsprüfung liefen die beiden Hündinnen in einer Gruppe. Meine Frau führte ihre Assi, eine nervöse, aber gut veranlagte, vom Wesen her allerdings eher „braun angestrichene Hündin“, ich meinen Dreiläufer. Sie war inzwischen 47 cm groß, eine derbe, aber wohlproportionierte Hündin, der man, solange sie nicht laufen mußte, die Behinderung nicht ansah. Sie brachte den Hasen auf der Schleppe, ohne ihn einmal abzusetzen. Na – und solch ein Mecklenburger Klee- und Rübenhase, der wiegt im Herbst so seine drei bis vier Kilo. Zwar möchte man immer zur Prüfung einen leichteren, ist dann aber schon heilfroh, am letzten Abend im allerletzten Licht überhaupt noch einen, ganz egal was er wiegt, erlegt zu haben.
Ich rede immer von der Hündin, dabei hatte sie schon bald einen Namen in der Familie. Ihr eigentlicher Stammbuchname „Xara von der Thyra“  klang mir zu zungenbrecherisch. Da sie einen so herrlichen dicken Kopp hatte und weil es so ähnlich klang, nannte ich sie Kater, worauf sie sofort hörte, besonders wenn man ein Stück Wurst oder Pfefferkuchen dabei hatte. Meine Tochter machte daraus bald Kater-Luise, oder als Rufname nur kurz plattdeutsch: Lieschen. Sie hörte auf alle diese Namen, wie gesagt, vor allem wenn man etwas Freßbares in der Hand hielt.
Was dann in den Jahren der gemeinsamen Jagd alles erlebt wurde, gehört zum Schönsten und wird unvergessen bleiben, sowohl für den Jäger, der solchen Hund führen durfte, als auch für die Familie, die irgendwie immer ihren Anteil nahm, und für die Weidgenossen, die davon profitierten. Sie brachte noch die allerletzte Ente aus dem Schilf hoch. Ich kann mich nicht erinnern, daß sie je aufgab, bevor sie nicht den geschossenen und manchmal doch leider nur geflügelten Erpel oder die Gans gefunden und gebracht hatte. Anfangs nahm sie die Sauen an, ehe sie, mehrfach geschlagen, gewitzter wurde und die Schwarzkittel stellte und anhaltend verbellte. Manche Sau und etliche Stücken Rehwild suchte sie erfolgreich nach – und wenn sie aufgab und nicht mehr weiterfand, hatten selbst Spezialisten kaum mehr Erfolg.
Doch bevor es dazu kam, richteten wir erst einmal – endlich, atmeten wir auf – unseren Zwinger ein. Rams hatte inzwischen das große Los gezogen und war zu einem anderen Jäger gekommen, wo er nicht nur noch  mehr Familienanschluß, sondern auch ein Jagdrevier vom Feinsten genoß. Zuvor hatte meine Frau stellvertretend für mich mit ihm die B-Prüfung absolviert. Eigentlich wollte ich das mit dem nicht ganz einfach zu führenden Rüden selbst tun, denn er hatte manchmal seinen Dickkopf und brauchte eine deutliche Hand. Doch als wir in der Altmark ankamen und uns zu der Richterrunde setzten – wir kannten uns ja alle aus zahlreichen erlebnisstarken wunderschönen Prüfungen und wußten, was wir voneinander zu halten hatten - da gab es wie üblich ein großes Hallo. Und als der traditionelle Baumkuchen aufgetischt wurde und das Erzählen losging, da meinte der Richterobmann so nebenher: „Du hilfst uns doch morgen und übermorgen richten?“
„Nee, also nein, das geht nicht, ich muß meinen Rams führen.“
„Ach was, den kann doch deine Frau genauso gut führen, das hat sie doch schon öfter bewiesen.“
Es ging hin und her, sie baten, forderten – und ich ließ mich breitschlagen. Nur am letzten Tag die Schweißarbeit, die wollte ich selber mit ihm machen.
„Na ist doch klar, da können wir dich dann entbehren. Dann ist ja nicht mehr viel zu prüfen.“
Ich ging mit einer Gruppe ins Feld, wir fanden kaum Hasen und kamen erst spät ins Suchenlokal. Wie ich trotz aller Unkerei bald erfuhr, hatte mein Weib mit Rams überhaupt keine Probleme und war gut mit ihm durch die verschiedenen Fächer gekommen. „Weißt du, dann werde ich dir nicht die Butter vom Brot nehmen. Auch wenn du den Burschen noch nie am langen Riemen hattest, du führst ihn morgen auch auf Schweiß.“
Am anderen Morgen standen wir zeitig am „Anschuß“ in einem raumen Fichten– und Kiefernbestand, in dem Pilzsucher, seit es hell geworden war, auf den am Vortage getropften Fährten rumwanderten. Na, das konnte ja lustig werden. Ich stand in einiger Entfernung außer Wertung hinter dem Schmalreh, das an einem Kiefernstubben für die Anschneideprüfung bereitlag. Irgendwann mußte jetzt mein Hund mit meiner Frau am langen Riemen auftauchen. Und dann war es soweit. Rams zog in ungestümem Vorwärtsdrang auf der Schweißfährte voran, meine gestolperte und langliegende Gefährtin, die tapfer den Riemen festhielt, hinter sich. Als der Hund dann am Stück war und die Hundeführerin ihm stolz den überreichten Bruch an seiner Halsung befestigte, da machte ich vorsichtshalber ein ernstes Gesicht. Ich konnte gut lachen, durfte aber nicht.
 

 
 

Sie hatte meine Arbeit mit dem Rüden gemacht, der in ihrer Hand völlig problemlos lief. Auch das gehört zu den Erinnerungen und Erlebnissen mit unseren Hunden.
Unsere beiden Hundedamen hatten ihre geräumigen Zwinger, lagen aber, wenn sie nicht gerade arbeiteten, meist im Garten und hatten dort ihre Reviere abgegrenzt. Die Zuchttauglichkeit war endlich erreicht, ein Zwingername mußte her. Ohne genehmigten Zwingernamen konnte es nämlich nicht losgehen mit der lange ersehnten Welpenzucht. O, je, war das schwer: Der eine Vorschlag hatte mehr als neun Buchstaben, beim anderen war Ähnlichkeit zu einem bereits vorhandenen erkennbar. Da kam mir der Gedanke  an die Bringfreude und Bringtreue beider Hündinnen. Bringtreu – wenn das kein Omen für die zukünftigen Welpen war. Ach, unsere Wünsche eilen ja meist dem wirklichen Leben weit voraus. Wenn ordentliche Zucht, also nicht nur Paarung irgendwelcher Elterntiere betrieben wird, gelenkt von einer Zuchtleitung, die eine vollständige Übersicht besitzt, dann ist das gewiß nicht die Katze im Sack kaufen.  Wer sich aber mit Tierzucht beschäftigt hat, der weiß, wieviel Unwägbarkeiten, Rückfälle und scheinbare Zufälle für die Erbeigenschaften und das Erscheinungsbild der neuen Generation mitspielen. Und es bleibt als große Unbekannte die Frage, was der zukünftige Welpenbesitzer aus dem jungen Hund macht.
Irgendwann wurde die erste Hündin läufig, es ging also zum Rams. Der kannte seine Luise offensichtlich noch, wollte aber, wie das so ist, im Zwinger absolut nicht seine Pflicht erfüllen, und sie schien sich auch zu genieren, so vor aller Augen. Vielleicht war ihr auch die Umgebung zu fremd.
Es klappte  nicht.
Nach einigem Hin und Her zogen wir mit den beiden ins Revier – und ehe wir uns versahen, war’s passiert. Na, sagten wir uns, doppelt genäht hält besser, und erlaubten den beiden am Nachmittag ein zweites Aneinanderhängen.
Wenige Tage später, so was steckt bekanntlich an, wurde auch die zweite Hündin heiß, und abermals ging’s zum Rams. Er war ja auch ein Bild von einem Rüden und leistungsmäßig sehr ordentlich, wie meine Frau bewiesen hatte.
Nach zweieinhalb Monaten wimmelte der Hof von zwölf munteren Welpen, die sich mit unseren Gänsen, Enten und Hühnern dauernd in den Federn hatten. Abends zogen wir dann aus dem Garten zum nächsten Teich, begleitet von einer erwartungsvollen Kinderschar, die sich nicht genug über die im Wasser tobenden Welpen und deren aufmerksame Hundemütter freuen konnte. Es war Leben in der Bude.
Im Laufe der Jahre brachte Luise noch zwei starke Würfe, und wir erlebten Freud und Leid mit der Aufzucht. Drei Welpen wurden durch Vater Staat damals nach drüben, in die Bundesrepublik, verkauft, ein für uns recht ungewöhnlicher Vorgang. Aber für Devisen, so spotteten wir, würden sie sogar Omas Bettuch unterm Hintern weg versilbern. Es sollte aber, wie sich nach über zehn Jahren herausstellte, für mich noch von Vorteil sein.
Kater-Luise ging, ungeachtet ihrer Mutterpflichten, bald wieder mit auf  die Jagd. Nahm ich sie nicht mit, dann rief sie mit ihrem durchdringenden Laut das ganze Dorf zusammen. Es war weit zu hören, und ihre Empörung schallte manchmal bis zu mir auf den drei Kilometer entfernten Hochsitz am Waldrand.  Durchdringend war dieser Laut und bei jeder Wildart, die sie verfolgte, anders. Mit hohem „Jiff, jiff“ jagte sie am Hasen, etwas voller, aber noch hell, verfolgte sie das Rehwild; kam der Laut haßerfüllt dunkel, war sie mit Sicherheit an den Sauen. Nur beim Fuchs wußte sie nicht so recht wie – abwechselnd lustvolles helles „Jiff“ und haßerfülltes „Wuff“, so kam ihr Geläut für Reineke.
Wollte ich einzelne Begebenheiten erzählen, würde ich wohl kaum ein Ende finden.
Und doch werden die Gedanken oft, nicht nur von diesem Ansitz, zu ihr zurückgehen, hat sie doch mit die weiten Grenzen bestimmt, in denen Jagdhundarbeit zum Erlebnis und der Hund ein dankbar angenommener, verläßlicher Gefährte wird. Wie oft hatte sie recht und ich irrte und gab ihr anfangs in meiner Dummheit und menschlichen Überhebung Grund zum Übelnehmen. Das war aber nicht ihre Art. Dazu war sie zu wesensstark. Sie vergaß den Ärger schnell. Ihr Wesen war so sicher und fest – sie machte Jäger. War ich mir nach dem Schuß nicht sicher, wohin das Stück abgesprungen oder geflüchtet war, denn unten im Feld sieht alles anders aus als vom hohen Sitz, dann ließ ich sie laufen, und sie fand, wenn die Kugel getroffen hatte. Dazu brachte sie eine Anlage mit, ohnehin sehr selten zu sehen, bei ihr aber angeboren und durch Bringwut sowie überaus lockeren Hals verstärkt: Sie wurde ganz von sich aus zum lauten Verweiser. Sehr bald, nachdem ich ihre Fährten- und Spursicherheit auch an der langen Nachsuchenleine erlebt hatte, nahm ich sie nicht mehr an den Schweißriemen. Für sie mit ihrer Behinderung wäre das nur eine zusätzlich Belastung gewesen.
Ist es schon wunderbar, im unwegsamen Gelände durch den sicheren Totverbeller zum Stück gerufen zu werden, so ist der verläßliche laute Verweiser die Krönung für den zu Nachsuchen gerufenen Hundeführer.
Gewiß kann man einen Totverbeller abrichten, hat ein Hund mit lockerem Hals aber die Anlage dazu, so hat man schon einen Hauptgewinn. Sicher kann man auch einen bringfreudigen Hund zum Verweiser, Bringselverweiser oder anders erziehen. Doch der Hund, der mit sicherem Bringen begabt ist, wird es einem leichter machen, die Sicherheit zu erwerben.
Wir übten mit ihr bei jeder Gelegenheit das unbedingte Bringen, ob im Garten oder draußen im Wald. Manchmal legten wir dann den Apportbock oder das Wild so in eine Astgabel, daß die Hündin trotz großer Anstrengung nicht herankam. Es dauerte nicht lange, und sie verbellte -  und kam ich nicht zur Hilfe, dann sprang sie mich an, zerrte und zottelte solange an meiner Kleidung, bis ich ihr zum Wild verhalf. Das gleiche passierte, wenn man ein Stück Rehwild oder eine Sau abgelegt hatte und die Luise aufforderte zu bringen. Sie faßte an, versuchte zu packen – und dann kam sie und forderte deutlich zur Hilfe auf.
Einmal, ach wie lange ist das alles schon her, da hatten wir uns an einer Linde nahe der Waldkante angesetzt. Vor uns auf der Kleestoppel äste bald Rehwild. Nur ein ziemlich starker Bock mit etwas kleinem, aber stuckigem Gehörn blieb an der Kante, sicherte und zeigte alle Verhaltensweisen eines einzelnen älteren Stückes. Aber dafür war sein Gehörn einfach zu gering. Der mußte weg. Es dämmerte langsam. Der Kleeschlag hatte zahlreiche Rehe angelockt, der Bock sicherte, blieb im Schutz des Waldrandes und trat nicht auf die Stoppel. Erst im letzten Moment, es wurde schon diesig, da preschte er raus, stellte sich zu einer Ricke nicht weit vom Ansitz und begann zu scherzen. Ohne langes Besinnen schoß ich, er sprang ein paar Schritte zur Seite, bölkte die Ricke wie vorwurfsvoll an, trat noch ein paar Schritte ohne jedes Zeichen von Getroffensein beiseite und lief dann ohne große Hast zum Waldrand zurück und verschwand im Gatter. Nanu? Sollte ich vorbeigeschossen haben? Auf dieser Entfernung? Das war doch nicht möglich! Also abgebaumt und mit der Hündin hin zum vermeintlichen Anschuß. Nun suche mal einer in der Dämmerung auf der Kleestoppel zielsicher einen Anschuß. Ich ließ die Hündin kreisen, und schon stürmte sie laut los. Ach du lieber Himmel, dachte ich,  jetzt hetzt sie auch noch den gesunden Bock. Kurze Zeit später kam sie aus dem Gatter,  sprang lautgebend an mir hoch, drehte sich um, lief wieder zur Waldkante, kam zurück, wollte mich am liebsten mitzotteln, und als wir in den ersten Pflanzreihen des Fichtengatters angelangt waren, da zeigte sie mir den Bock.
 

 
 

Ach, herrjeh, der war viel zu jung. Zwar schon stark im Wildbret, aber viel zu jung. Da hatte er in seinem Übermut der vermeintlichen Stärke wohl schon Schläge von den älteren Böcken bekommen und war deshalb vorsichtig wie ein gewitzter, erfahrener Alter am Rande geblieben und hatte mich genarrt. Ein klassischer, zudem schmerzlicher Fehler von mir. Den Schuß hatte er offensichtlich nicht gespürt, war nur erschreckt worden, hatte seiner Empörung gegen die Ricke Ausdruck gegeben und war ins Gatter zurückgetrollt und dort wie ein Stein gefallen. Wer weiß, ob ich bei dem Verhalten ohne Hündin bei Fuß nachgesehen hätte? So hat sie manches Stück nachgesucht und vor dem Verludern bewahrt. Ich ließ sie auf der Nachsuche immer frei laufen. Hatte sie gefunden, dann rief sie mich, und falls ich nicht rasch genug kam, dann holte sie mich und packte mich am Lodenmantel oder der Hose, um mich hinzuzerren, so als wollte sie sagen: Nun komm schon, ich schaffe es nicht allein, es ist für mich zu schwer. Und dann lotste sie mich zum Stück,  hin und her pendelnd.
Wie lange ist das nun schon her.
Jahre mit anderen Hunden sind ins Land gegangen, auch sie waren brave, treue Jagdgefährten, aber eine zweite Kater-Luise war nicht dabei. Auch diese Hunde deckt schon das Feld.
Jetzt habe ich durch Zufall einen Urenkel meiner Hündin bei Fuß. Er ist noch jung, wird sie wahrscheinlich aber nie erreichen. Doch dafür kann er nichts, es ist allein meine Schuld. Ich habe nicht mehr die Zeit und den Elan vergangener Jahre. So erleben wir die wenigen Augenblicke der Jagd miteinander ohne die vielfältigen Möglichkeiten und Versuchungen einer vergangenen Jagdzeit. Wir müssen uns beide begnügen. Doch wenn er mich manchmal ansieht, mit seinem Kopf, der dem Kater so ähnlich ist, dann erlebe ich die Luise wieder und verstehe seinen stummen Vorwurf.

Er möchte jagen.
 

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